Reportage
Netzerweiterung Romande Energie, Wallis 04|2023

Der Strom unter der Rhone

Zur Netzerweiterung des Westschweizer Energieversorgungsunternehmens Romande Energie war es notwendig, neue Leitungen unter einem bestehenden Werksgelände, unter Bahngleisen und unter der Rhone zu verlegen. Für drei besonders heikle Bauabschnitte holte man sich Hilfe von den MARTY-Spülbohrungsexperten.

Später Nachmittag. Das Rhonetal liegt bereits im Schatten, die schneebedeckte Berglandschaft leuchtet ringsherum noch hell und sonnenbeschienen. Ein prachtvoller Anblick, für den die vier MARTY-Bauarbeiter am Fluss allerdings keine Zeit haben. Konzentriert nutzen sie das letzte Tageslicht noch dafür, die sieben, rund 250 Meter langen HDPE-Rohre an jenen Räumer mit seinen beeindruckenden 80 Zentimeter Durchmesser zu montieren, der diese morgen unterhalb der Rhone ans andere Ufer ziehen soll.

«Es ist der letzte und wahrscheinlich auch schwierigste von insgesamt drei Rohreinzügen, für die wir von Romande Energie hier beauftragt worden sind», erzählt Projektleiter Erik Weirather. «Die vorab nötigen Pilotbohrungen samt Aufweitungen haben dank Vermessen mit einem Kreiselkompass super genau und schnell funktioniert.» Dabei stellte die unterschiedliche Geologie – von verschmutztem, teilweise sogar kontaminiertem Boden über Sand und Kies mit einzelnen Findlingen bis zu Altholzstämmen – eine echte Herausforderung dar.

Doch das alles liegt am heutigen Nachmittag bereits hinter der MARTY-Mannschaft, die seit vier Monaten hier in der Westschweiz stationiert ist. Bohrmeister Enes Redzepi lässt von seinem Kollegen Dylan Price mit dem 9-Tonnen-New Holland-Raupenbagger eine Rohrleitung nach der anderen zum massiven Räumer in der schlammigen Baugrube ziehen. «Vier Schweissertrupps von uns waren gestern bis 22 Uhr und heute noch bis Mittag gleichzeitig im Einsatz, um die insgesamt sieben, rund 250 Meter langen Rohrleitungen fertigzustellen», erzählt der 29-jährige Enes, der seit mehr als acht Jahren für MARTY arbeitet. Bereits seit sieben Jahren führt er vor allem Spülbohrungen durch. «Geschätzt schon wohl über 100», lächelt der Bohrmeister stolz, als er eigenhändig ein Rohrende nach dem anderen mit einem massiven Schäkel am Räumer montiert, mit langen Schraubenschlüsseln festzieht und abschliessend noch mit einem Splint sichert.

Mittlerweile brummt bereits ein 18 kW-Stromaggregat vor sich hin, um bei beginnender Dämmerung für jenes Flutlicht zu sorgen, dass für sicheres Arbeiten nötig ist. Die sieben Rohre sind angehängt. Enes greift zum Funkgerät, um seinen Kollegen Dylan, der inzwischen am anderen Flussufer auf dem Führerstand der Horizontalspülbohranlage Platz genommen hat, Anweisungen zu geben: «Chasch rotiera.» Wie eine riesige Wasserschlange beginnt sich der tonnenschwere Bohrkopf mit den sieben schwarzen Rohren um die eigene Achse zu drehen und sich Richtung Bohrloch der Baugrube zu bewegen. Als er kurz davor ist, darin zu verschwinden, setzt der Bohrmeister noch einen letzten Funkspruch ab: «So ist gut, passt so.»

Letzte Handgriffe beschliessen den Arbeitstag: Die Baugrube wird sorgfältig gesichert und mit Baulatten abgesperrt, der Stromgenerator abgeschaltet. Ein kurzes «Gemma» von Enes und das MARTY-Team macht sich auf den Weg in den verdienten Feierabend zum Abendessen ins Hotel, um ausgeruht am nächsten Tag die letzte Etappe in Angriff zu nehmen: den 14 Meter unterhalb der Flusssohle der Rhone verlaufenden Rohreinzug.

6 Uhr 30 am Morgen. Eine noch völlig in der Dunkelheit liegende, mit Eis überzogene Baustelle auf der gegenüberliegenden Seite der Rhone wartet auf den Bautrupp. Während MARTY-Bauarbeiter Christian Bächtold allein auf der Baustelle von gestern darauf wartet, den Rohreinzug zu kontrollieren, hält Bohrmeister Enes mit seinen beiden Kollegen im Scheinwerferlicht eine kurze Lagebesprechung ab. Danach geht jeder für sich seiner Wege, um die nötigen Vorkehrungen für den Rohreinzug zu treffen. Enes überprüft sämtliche Leitungen sowie Zu- und Abflüsse auf mögliche Vereisungen oder Verstopfungen, sein jüngerer Bruder Emin nimmt erste Handgriffe an der SiteTec-Mischanlage vor: Er sorgt dafür, dass im 20 m3 grossen Containerbecken je nach Geologie immer die passende Bentonit-Mischung Richtung Räumer unter die Erde gepumpt wird. «In den 25 kg-Säcken ist das Bentonit. Daneben stehen die verschiedenen Zusätze, mit denen auf die wechselnde Geologie reagiert werden kann. Mit etwas Erfahrung erkennt man die richtige Konsistenz entweder schon an der Optik oder man erspürt sie, indem man die Flüssigkeit zwischen den Fingern verreibt», erklärt der 26-jährige Bauarbeiter.

Neben dem Mischer läuft bereits eine andere Anlage auf Hochtouren: der sogenannte Recycler – oder wie er exakt bezeichnet wird – die SiteTec-Recycling- und Mischanlage Type RM1000E. Dorthin wird der aus der Start- und der Zielgrube laufend abgepumpte Bohrschlamm zurückgeführt, um aus diesem Kies und Sand getrennt voneinander herauszufiltern und in einer Mulde für den Abtransport zu sammeln. Das restliche, flüssige Material wird wieder Richtung Bohrung gepumpt und kann so mehrfach bis zur Beendigung der Bohrung als Spülung wiederverwendet werden.

Kurz nach 7 Uhr sind alle Vorarbeiten erledigt. Mischer, Recycler, Bagger und alle Generatoren laufen bereits, als Enes in der Fahrerkabine des Bohrgerätes Vermeer D220x300 Platz nimmt, das in den nächsten Stunden Schwerstarbeit zu verrichten hat: Mit einer Zugkraft von maximal 110 Tonnen beginnt das 33,5 Tonnen schwere, über 11 Meter lange und 415 PS starke Wunderwerk eine Bohrstange nach der anderen aus dem schmatzend feuchten Erdreich zu ziehen. «Aktuell mit etwa 7 bis 8 Metern pro Minute. Als maximale Geschwindigkeit wären 25 Meter pro Minute möglich», erklärt der Bohrmeister, während er konzentriert sämtliche Daten auf seinem Display im Auge behält und ständig Funkkontakt mit seinem Kollegen Christian am anderen Flussufer hält, wo die schwarzen Leitungen nach und nach im hellbraunen Schlamm der Baugrube verschwinden.

«Bis jetzt läuft alles gut», lächelt Dylan, während er nach jeder abgeschraubten Bohrstange das Gewinde des Bohrgerätes kurz mit einem groben Pinsel voll Kupferfett beschmiert. Zwischendurch bringt er seinem Kollegen Emin laufend neue, 25kg schwere Bentonit-Säcke, damit dieser stets genug Material zum Mischen hat oder er besteigt den 14-Tonnen-New Holland-Raupenbagger, um die bereits herausgezogenen Bohrstangen auf einem separaten Gestell zu stapeln.

Plötzlich stoppt Enes sein Bohrgerät und steigt mit besorgter Miene aus seiner Fahrerkabine. Ein Hydraulikschlauch ist gerissen und undicht geworden. «Das kann durch Reibung oder einen Knick leider passieren», erklärt der Bohrmeister mit ruhiger Stimme, ehe er in den Firmen-Jeep steigt und die Baustelle über die Schotterstrasse verlässt. Keine halbe Stunde später ist er bereits wieder retour. Mit dem passenden Ersatzteil in der Hand und bereits am Abschrauben des defekten Schlauches. Als er nach der gelungenen Reparatur die Maschine wieder anlässt, kämpfen sich wie zur Aufmunterung erste, warme Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkenschicht. Die Arbeit geht weiter und nur noch wenige Bohrstangen stecken zwischen Bohrgerät und dem drehenden Räumer mit den sieben, 250 Meter langen Rohrschlangen im Schlepptau.

Noch einmal sorgt ein Zwischenfall für einen kurzen Maschinenstopp: Der Zylinder einer Klemmbacke, der für das Fixieren der Bohrstangen nötig ist, ist gebrochen. Doch auch dieses unvorhergesehene Ereignis ist keines, was die routinierte und eingespielte MARTY-Mannschaft aus der Ruhe bringen oder gar aufhalten kann. Nach dem schnellen, professionellen Schweissen funktioniert wieder alles reibungslos und schon bald wölbt sich das Erdreich direkt vor dem Vermeer D220x300 verdächtig. Wenige Sekunden später frisst sich auch schon der Räumer an die Oberfläche und bleibt wie ein gestrandeter Riesenaal dort liegen. Geschafft!

«Mit dem Abhängen der Rohre warte ich aber noch etwa 15 Minuten. Die Leitungen stehen nach dem langen Ziehen unter Spannung oder sind durch die Temperaturunterschiede unterschiedlich gedehnt. Da kann es leicht passieren, dass sie ohne Fixierung wieder unter die Erde rutschen», weiss der nach getaner Arbeit sichtlich entspannte Bohrmeister aus Azmoos, als er mit einem Wasserschlauch den braunen Schlamm von Räumer und den Rohren wäscht. Danach posieren die vier MARTY-Mitarbeiter gemeinsam noch stolz und erleichtert vor ihrem Werk und schiessen auch privat das ein oder andere Erinnerungsfoto mit dem Handy. Alles, was jetzt noch kommt, ist entweder – wie etwa der Einzug der Stromleitungen oder der Bau der Schaltkästen – Aufgabe anderer Unternehmen oder lediglich reine Routinearbeit, wenn es um den Rückbau der Baustelle oder den Abtransport sämtlicher Geräte und Materialien geht.

«Mit MARTY zusammenzuarbeiten, hat sich absolut gelohnt. Alles lief präzise und klar ab, obwohl es einige Projektanpassungen geben musste.»

Raphaël Roduit, Projektleiter Romande Energie SA

Auch Raphaël Roduit, verantwortlicher Projektleiter von Seiten des Auftraggebers Romande Energie, zieht auf Nachfrage zufrieden Bilanz: «Wir entschieden uns aus Kostengründen für diese heiklen Spülbohrungen. Und dabei mit MARTY zusammenzuarbeiten, hat sich absolut gelohnt. Alles lief präzise und klar ab, trotzdem es einige Projektanpassungen geben musste. Und sämtliche Arbeitsschritte wurden nicht nur genau und effizient von den MARTY-Mitarbeitern vor Ort ausgeführt, auch die Koordination mit Bauherrn und Bauträger funktionierte trotz kleinerer Sprachbarrieren reibungslos.» – Ebenso reibungslos, wie dank der erfolgreichen Spülbohrung in Zukunft auch der elektrische Strom unter dem Westschweizer Fluss fliessen wird.

Zum Projekt

Netzerweiterung Romande Energie, Wallis

Auftraggeber: Romande Energie SA
Projektleiter Auftraggeber: Raphaël Roduit
Projektleiter MARTY: Erik Weirather
Zeitraum Arbeiten: 8. August bis 7. Dezember 2022 (4 Monate)

Umfang

  • Erstellen der Installationsplätze und Zufahrtsstrassen
  • 3 Horizontalspülbohrungen mit insgesamt 770m Gesamtlänge (u.a. unterhalb Werkverkehr, Bahngleisen sowie unterhalb der Rhone)
  • Verlegen von Rohrbündeln mit bis zu 7 HDPE-Rohren (DN 180 bis DN 110)
  • Liefern und Verschweissen der HDPE-Rohre

Eingesetztes Inventar (u.a.)

  • Bohrgerät Vermeer D220x300
  • Mischanlage SiteTec M1500E
  • Recycler SiteTec RM1000E
  • Stromaggregat CAT C13
  • Abdrehvorrichtung PipeSide
  • 2 New Holland-Raupenbagger (9t und 14t)
  • 2 Wasserpumpen (1300l/min und 3000l/min)

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