Reportage
BIM / Baustelle Lukashaus 03|2023

Baudaten auf Fingerdruck

Die digitale Zukunft hat auch in der Baubranche längst begonnen. Das Zauberwort heisst BIM. Die drei Buchstaben stehen für «Building Information Modeling» und beschreiben eine ausgefeilte Software, mit der auf alle baurelevanten Daten zurückgegriffen werden kann. – Seit Anfang 2023 arbeitet MARTY als Pilotkunde eng mit HILTI zusammen, um die neueste BIM-Software-Detailversion des liechtensteinischen Weltkonzerns praxisnah zu erproben. Wir haben die beiden Projektpartner dabei besucht.

Von aussen deutet nichts darauf hin, dass die Grabser Baustelle auch als Labor für modernste Messtechnik dient. Knapp acht Monate ist MARTY hier mit dem Erweiterungsbau des Lukashauses für insgesamt 28 Bewohner:innen der karikativen Einrichtung beschäftigt. Für Menschen mit Behinderung oder Unterstützungsbedarf, die geeignete Räumlichkeiten für Wohn-, Arbeits-, Therapie- und Freizeitzwecke benötigen. Der Kontakt zwischen dem MARTY-Team und den bereits vor Ort lebenden Bewohner:innen ist über die vielen Wochen vertraut und ungezwungen geworden. Aktuell überlegt man gemeinsam mit der Leitung des Lukashauses sogar, wie man die an den Bauarbeiten besonders Interessierten in Form von einfachen Hilfsdiensten einbinden könnte. Konkret ist etwa das Reinigen von Schalungen im Gespräch: eine mit Schaber und Kelle doch recht mühselige, «analoge» Tätigkeit.

Der heutige Besuch an diesem lauen Frühlingstag verspricht hingegen das Gegenteil: Florian Köppel, Messtechnikspezialist bei HILTI, ist auf die Baustelle gekommen. Im Gepäck hat er die neuesten Updates, mit denen die unterschiedlichsten Vermessungsarbeiten auf einfachen Fingerdruck funktionieren. «Wir sind mit Hilfe von MARTY seit ein paar Monaten daran, unsere Software laufend weiterzuentwickeln. Als Bauunternehmen arbeitet MARTY ja bereits seit vielen Jahren mit unseren Geräten und die Rückmeldungen der Bauprofis sind natürlich besonders hilfreich und wertvoll für uns, um auch weiterhin eine möglichst benutzerfreundliche Software mit einfacher Navigation anbieten zu können. Nichts ist schlimmer als eine Software, die zwar in der Theorie alles bietet, aber in der Praxis unbrauchbar ist», erklärt der 41-jährige HILTI-Mitarbeiter.

«Wir sind mit Hilfe von MARTY seit ein paar Monaten daran, unsere Software laufend weiterzuentwickeln.»

Florian Köppel, Messtechnikspezialist, HILTI

Im Mannschaftscontainer warten bereits Polier Fabian Weibel sowie Bauführer Patrick Hardegger auf ihn. Beides erfahrene Experten, wenn es um den Hochbau geht und seit vielen Jahren bei MARTY. Auch sie sind von der bisherigen Zusammenarbeit begeistert. «Unsere Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind keine zwei Wochen später bereits in die Software integriert und anwendbar», staunt Patrick Hardegger, während Florian Köppel auf dem Tablet die Neuerungen erklärt und vorführt.

Eines ist nicht nur den drei Profis auf der Grabser Baustelle, sondern jedem in der Baubranche längst klar: An BIM führt in der Zukunft kein Weg vorbei. An einer Software, die sämtliche Daten und Informationen eines Bauprojekts erfasst und als Entscheidungsgrundlage zu jeder Zeit abrufbar macht – von der Entwurfsphase über die eigentliche Bauphase bis zu Betrieb und Unterhalt des fertigen Gebäudes. Die neue Technik vereinfacht so nicht nur die einzelnen Arbeitsschritte, sondern ermöglicht auch enorme Einsparungen in Sachen Zeit und Material – und spart damit letztlich auch viel Geld.

Für wirklich lückenlose, digital verfügbare Daten müssen diese natürlich von allen an einem Bauprojekt beteiligten Stellen sorgfältig eingespeist werden: beginnend bei Architekten und Planungsbüros bis zur Haustechnik. «In Europa sind diesbezüglich die nördlichen Länder wie etwa Norwegen echte Vorreiter», weiss Patrick Hardegger. «Der Grund liegt auf der Hand: Der kurze Sommer dort zwingt die Unternehmen, in den wenigen Monaten auf den Baustellen so richtig Vollgas zu geben und in der restlichen, baufreien Zeit vorab alles so perfekt wie möglich zu planen und vorzubereiten.» Auch in unseren Breiten ist man sich der Vorteile und der Notwendigkeit von BIM bewusst. «In einigen Ausschreibungen wird der Einsatz dieser Technik bereits explizit verlangt. Und ich schätze in fünf bis spätestens zehn Jahren wird das digitalisierte Bauen für grössere Projekte wohl Standard sein», ist sich der 37-jährige Bauführer sicher. «Deshalb sind wir bei MARTY auch schon jetzt so intensiv an diesem Thema dran.»

Mittlerweile ist die Einführung im Mannschaftscontainer zu Ende. Polier Fabian Weibel drängt darauf, die Software-Updates auf der Baustelle auszuprobieren. Er öffnet den roten HILTI-Koffer und greift nach der Totalstation PLT 400: ein vielseitig verwendbares, sich selbst kalibrierendes Vermessungsgerät, von dem die unterschiedlichsten Daten und Messergebnisse direkt auf das handliche Tablet übertragen werden können. Er montiert das Präzisionsmessgerät mit wenigen Handgriffen auf ein grosses, gelbes Stativ und das Tablet samt Prisma-Empfangsgerät, das mittels Laser angesteuert wird, auf ein kleineres Dreibein.

«Im Kern geht es bei dieser Software um den kompletten Vermessungsblock. Dieser Bereich ist und bleibt am Bau extrem wichtig und ist mit umfangreichen Arbeiten verbunden», erklärt Florian Köppel, der selbst gelernter Geomatiker und Baupolier ist. Ein erster Blick auf das Tablet macht klar, welche enormen Vorteile die neue Software mit all den darin hinterlegten Daten bietet: Statt der bisherigen 2D-Darstellung wird nun der gesamte dreistöckige Bau – vom Keller bis zum Dach – als 3D-Modell abgebildet, das man in alle möglichen Richtungen drehen, spiegeln oder sogar auf den Kopf stellen kann. Ausserdem ist jeder beliebige Schnitt im 3D-Modell möglich.

«Die Zeiten von Massband und Taschenrechner sind damit wohl demnächst endgültig vorbei.»

Patrick Hardegger, Bauführer, MARTY

«Die grünen Flächen sind Beton, die roten Mauerwerk», deutet Patrick Hardegger auf das Display. «Und klickt man einzelne, selbst definierte Flächen oder Wände an, bekommt man sofort deren genaue Grösse oder auch Volumen.» Ein virtuelles Modell, das in jeder Bauphase enorme Vorteile bringt: von der Planung der Schalung über die Visualisierung von Durchgängen, Fenstern oder Leitungen bis zur exakten Bestellung von Materialmengen. «Die Zeiten von Massband und Taschenrechner sind damit wohl demnächst endgültig vorbei. Und den unhandlichen, tischgrossen Bauplänen werden wohl auch die wenigsten nachweinen», ist sich der Hochbau-Experte sicher.

Polier Fabian Weibel schwört bereits jetzt auf die Segnungen der neuen, bedienerfreundlichen Technik. Obwohl die derzeitige Software-Version noch vor ihrer Marktreife steht, ist sie für seine Arbeit bereits unverzichtbar geworden. Ähnlich unverzichtbar ist übrigens auch der 30-jährige MARTY-Mitarbeiter für HILTI. «Die Zusammenarbeit mit Fabian und dem restlichen Team klappt hervorragend», schwärmt Messtechnikspezialist Florian Köppel. «Neben den praxisrelevanten Rückmeldungen ist speziell Fabian jemand, der neue Anwendungen sofort versteht und damit umzugehen weiss.» – Dann dauert es dank dieser erfolgreichen und reibungslosen Kooperation wohl nicht mehr lange, bis sich auch die restliche Bauwelt auf eine Software freuen darf, mit der ihre Arbeit noch einfacher, besser und kosteneffizienter zu erledigen sein wird.

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