Reportage
Bewässerung Furttal ZH 09|2021

Nah am Wasser gebaut

Sie ist 36 km lang und in der Region seit jeher als Lebens- und Erholungsraum unverzichtbar: die Limmat. Ab 2022 kommt für den Fluss auf Höhe Oetwil noch eine weitere bedeutsame Funktion hinzu. Er sichert mit seinem Wasser langfristig den Gemüseanbau im Furttal. Wie dies unter höchsten Umweltauflagen machbar ist, zeigt ein Besuch vor Ort.

Die Baustelle liegt noch im Morgendunst, als die MARTY-Mitarbeiter Patrick Peterer und Jarek Sienkiel am Ufer stehend den bevorstehenden Arbeitstag besprechen. Eine heikle Bauphase steht an, will man doch heute das Zuflussrohr zum künftigen Pumpwerk verlegen und danach das Einlaufbauwerk direkt in die Limmat setzen. Das Zeitfenster ist zudem eng und streng. Genauer gesagt hat man für sämtliche Arbeiten im Flussbereich nur ein paar Wochen im Herbst Zeit – zwischen dem Brutzeitende der Wasservögel und der Schonzeit für Fische.

Jarek ist bereits in die von Spundwänden gesicherte Baugrube gestiegen, um die letzten Meter Stahlrohr Richtung Limmatfassung anzuschweissen. Der 39-Jährige ist seit mehr als fünf Jahren bei MARTY und arbeitet zügig und genau. «Hast eine schöne Naht gemacht», kommt es anerkennend von seinem gleichaltrigen Kollegen aus der Fahrerkabine des Baggers, ehe er mit dem Sortiergreifer wie mit zwei Fingern geschickt nach einer Stahlplatte greift und diese in die Baugrube vor das Rohrende hebt, um es so provisorisch abzudecken. Danach schüttet Patrick den Graben rund um das Stahlrohr mit zuvor ausgebaggertem Erdreich zu.

Konzentriert gehen beide den nächsten wichtigen Abschnitt an: den Durchstoss zur Limmat. Jarek öffnet einen gelben Koffer, in dem ein aus mehreren Teilen bestehendes GPS-Gerät liegt. «Echt cooles Instrument. Es heisst TOPCON und wird in den USA hergestellt. Zur Einschulung sind sogar Vertreter der Firma zu uns gekommen, die auch später noch jederzeit für Fragen erreichbar sind. Wirklich damit umgehen lernt man aber erst in der Praxis», lächelt der gebürtige Pole, als er einen pilzähnlichen Empfänger an die Aussenseite des Baggers und ein Display vor die Armaturen im Inneren der Fahrerkabine montiert. Kollege Patrick manövriert den Bagger zunächst auf die asphaltierte Strasse, um einen exakten Referenzpunkt für alle weiteren GPS-Messungen zu erhalten. «So kann ich später auf 2 cm genau ablesen, auf welcher Höhe ich gerade baggere», erklärt der erfahrene Maschinist, dessen Beruf ihm offenbar bereits in die Wiege gelegt wurde. Im zarten Alter von fünf Jahren sass er das erste Mal in einem Führerstand und durfte die Hebel bedienen. Auf dem Schoss seines Vaters, der selbst 40 Jahre lang als Baggerfahrer tätig war.

Die Präzisionsarbeit beginnt. Patrick fährt sein tonnenschweres Gerät vorsichtig ans Ufer und beginnt zu baggern. Immer wieder wechselt er geschickt und schnell zwischen Schwenklöffel und Sortiergreifer, je nachdem, ob der Untergrund mehrheitlich aus Steinen oder eher aus Lehm besteht. Gleichzeitig studiert er das Display in der Fahrerkabine, das ihm die genaue Arbeitstiefe angibt. Und die ist letztlich entscheidend dafür, ob Kies und Sand unterhalb des Wassereinlasses zu liegen kommen und Schwemmmaterial darüber hinweg treiben kann.

Jarek hat sich in der Zwischenzeit mit dem digitalen Hilti-Messgerät PRA 30 «bewaffnet», das zusätzlich zu den GPS-Instrumenten am Bagger noch Daten zur gewünschten Grabungstiefe liefert. Schrille Pfeiftöne begleiten die ständigen Messungen, bis Jarek seinem Kollegen mit nach oben gestrecktem Daumen signalisiert, dass alles passt.

Nach einer guten Stunde sind die beiden mit dem heiklen Bauabschnitt durch. «Bisher läuft alles gut», ist Patrick erleichtert, der trotz seiner grossen Erfahrung gerade vor solchen Arbeiten Respekt hat. «Wasser kann heimtückisch sein. Da kann schon einmal über Nacht etwas zusammenbrechen und enorm viel Zusatzaufwand nötig sein. Das wirklich alles glatt geht, ist keine Selbstverständlichkeit. Vor gewissen Bauabschnitten habe selbst ich manchmal noch Bauchweh und schlaflose Nächte.»

Zeit für eine kurze Verschnaufpause, auch weil das durch das Baggern trübe Wasser an der Limmatfassung eine Zeit braucht, um wieder klar zu werden und die nötige Sicht auf den Grund ermöglicht. Das eingespielte MARTY-Team nutzt die Gelegenheit, um an einem der beiden Sickerbecken den pH-Wert des Wassers zu messen. «Das Wasser, das hier reinfliesst, ist völlig sauber und hat den exakten pH-Wert der Limmat. Und der liegt bei 8,» erklärt Jarek, als er den mehrfarbigen Teststreifen genau unter die Lupe nimmt.

Möglich wird dies durch eine Reihe von umwelttechnischen Baumassnahmen, die streng eingehalten werden müssen. So kommt das gesamte Wasser, das zum Errichten des Pumpwerks verwendet und dabei verunreinigt wird, zunächst in zwei, in Containern befindliche Absatzbecken. Dort durchströmt es mehrere Kammern und Filter, in denen das Wasser völlig gereinigt wird. Danach wird es noch in ein sogenanntes Neutralisationsbecken geleitet, in dem es auf den exakten pH-Wert der Limmat gebracht wird. Zum Schluss fliesst dieses Wasser in eines der beiden Sickerbecken, von dem es dann – nochmals über das Erdreich gefiltert – wieder langsam vom Boden und der Limmat aufgenommen wird. «Genau so wurde es uns von den Bodenschutz-Experten empfohlen und vorgeschrieben. Und zusätzlich kommen sie immer wieder vorbei, um alles zu kontrollieren», sind sich die beiden Bauarbeiter der strengen Umweltauflagen bewusst.

Die eigentliche Baustelle ruft wieder. Zunächst müssen noch ein paar Meter der 550 mm starken Wasserleitung aus Kunststoff vom Pumpwerkschacht aus in das nur unwesentlich grössere Stahlrohr Richtung Limmat eingezogen werden. Die einfach klingende Übung entpuppt sich als Schwerstarbeit. Während Patrick das schwarze Leitungsstück mit der Baggerschaufel schiebt, drückt und mitunter sogar hämmert, kämpft Jarek in der schattigen, kaltnassen Baugrube mit Hammer und Meissel, dass noch zusätzliche Dichtungsringe um die Leitung ins Stahlrohr eingezogen werden. Immer wieder spritzt ihm dabei fontänenartig Wasser entgegen. Einmal aus dem oberen, dann wieder aus dem unteren Spalt, aber schliesslich ist das Rohr auf die gewünschte Länge eingezogen und der unverwüstliche MARTY-Mitarbeiter steigt klatschnass aus der Baugrube.

Frisch umgezogen geht es an die letzte Herausforderung für heute: das Setzen des gut 3,5 Tonnen schweren Einlaufbauwerks an der Limmat. «Im Fluss selbst wird selbstverständlich nicht betoniert. Selbst zur Befestigung der Fassung werden nur noch rundherum einzelne, grosse Steinbrocken versenkt. Daher hat unsere Hochbautruppe auch das Einlaufbauwerk vorgefertigt», erklärt Baggerfahrer Patrick und fügt noch stolz hinzu: «Echte Massarbeit. Es ist cool, dass es bei MARTY auf so vielen Gebieten Spezialisten gibt. Ich habe in einem Jahr bei MARTY schon mehr gelernt als die 12 Jahre zuvor in meiner alten Firma.»

Jarek befestigt massive Ketten an der Sonderanfertigung. Patrick hebt diese daran vorsichtig mit der Baggerschaufel in die Höhe und fährt zur Limmatfassung. Noch einmal ist die enge Zusammenarbeit des eingespielten Duos gefragt: Während Jarek flink zwischen Ufer und Flusssteinen hin und her springt, um seinen Kollegen einzuweisen, platziert Patrick das Einlaufbauwerk nach nur wenigen Steuermanövern so geschickt, dass die Wasserleitung schliesslich perfekt in die Einlassöffnung passt. «Tipptopp! Nur noch aufruma für heut», kommt es spontan aus Jarek, als er noch einmal – in der tropfnassen Baggerschaufel liegend – die richtige Position des Rohrendes überprüft.

Während ein schlankes Vierer-Ruderboot elegant und nahezu lautlos an der Baustelle vorbeigleitet, macht Patrick mit dem Handy noch ein Foto des unter Wasser liegenden Einlaufbauwerks und sendet es stolz seinem Chef Werner Marty jun. Fast wirkt es so, als ob die Augen dabei im abendlichen Gegenlicht ein wenig glänzen. Selbst für einen robusten Bauarbeiter wie ihn alles andere als eine Schande, wo man doch einen ganzen herausfordernden Arbeitstag lang so nah am Wasser gebaut hat …

Zum Projekt

Bewässerung Furttal ZH

Auftraggeber: Bewässerungsgenossenschaft Furttal BGF (rund 25 Gemüsebauer)
Totalunternehmer (TU): MARTY Gruppe
Ort: Kanton Zürich (sowie kleines Gebiet im angrenzenden Kanton Aargau)
Ziel: langfristige Sicherung der Bewässerung in einem landwirtschaftlich wichtigen Anbaugebiet

  • 12,7 Kilometer Leitungsbau durch 8 Gemeinden – quer durch Wald- und Wohngebiete
  • Errichtung eines Hochspeichers (500 m3 Fassungsvermögen) am Hüttikerberg sowie einer Wasserfassung und eines Pumpwerks (Leistung 109 l/s) an der Limmat
  • Montage von rund 50 neuen Hydranten
  • neben klassischen Pflüg- und Fräsarbeiten auch 24 horizontale, bis zu 300 Meter lange Spülbohrungen vorgesehen
  • geplante Fertigstellung: Frühjahr 2022

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