Reportage
Bewässerung Furttal ZH 03|2022

Bohrung im Eilzugstempo

Nur noch wenige Bauabschnitte und die Wasserversorgung für die Anbauflächen von rund 25 Gemüsebauern im Furttal ist langfristig gesichert. Wir waren dabei, als bei kaltnassem Frühlingswetter eine Rohrleitung dafür unter einer SBB-Trasse verlegt worden ist.

Märzwetter mit Graupelschauer am Ortsrand von Otelfingen im Kanton Zürich. Eine Einfamilienhaussiedlung neben Büro- und Gewerbebauten, durchzogen von einer stark frequentierten Bahnstrecke und einem Geflecht aus kleinen und grösseren Asphaltstrassen – nicht unbedingt das Wetter und die Umgebung, die man sich normalerweise für Grabungsarbeiten wünscht. Normalerweise. Denn wo früher mehrere Tage oder gar Wochen mit viel Lärm, Dreck, Verkehrsbehinderungen oder sogar Sperren nötig waren, hat sich heute lediglich ein Zwei-Mann-Trupp eingefunden, um den wichtigen Bauabschnitt mittels Spülbohrung zügig zu erledigen.

Lukas Komminoth und Daniel Lenherr haben das Bohrgerät schon frühmorgens in Position gebracht. Die MT25x100 Rockdrill ist nur eine von insgesamt 6 Maschinen, die MARTY für Bohrungen dieser Art im Stall haben. Mit 27 Tonnen Zugkraft sollte sie die relativ kurze Unterquerung problemlos meistern. Während Lukas bereits in der Fahrerkabine Platz genommen hat und die Daten auf dem elektronischen Display studiert, um den Bohrkopf einzurichten, und händische Aufzeichnungen im Protokoll vornimmt, bereitet Daniel auf der Ladefläche eines LKW die Bohrflüssigkeit vor: eine spezielle Wasser-Tonmineralien-Mischung, die bei der Pilotbohrung gleich mehrere wichtige Aufgaben erfüllt. Sie fördert nicht nur das Erdmaterial aus dem Bohrkanal nach aussen, sondern kühlt und schmiert gleichzeitig auch den Bohrkopf.

Dröhnend brummt ein Generator vor sich hin, um Strom für Mischer und Pumpe zu erzeugen. Daniel steht mit Gehörschutz zwischen einem vollen 3000-Liter-Wassertank und einer Palette mit Bentonit-Säcken und mischt die Bohrflüssigkeit an. Der gelernte Maschinist aus Gams ist erst seit knapp zwei Monaten bei MARTY und war davor acht Jahre in einem landwirtschaftlichen Lohnbetrieb beschäftigt. Warum der Wechsel? «Ich habe eine Abwechslung gebraucht. Ausserdem ist die Arbeit bei MARTY viel interessanter. Jede Baustelle ist anders», erklärt der 31-jährige Rheintaler.

Die Bohrflüssigkeit ist fertig, der Schlauch an die Maschine angeschlossen: die Pilotbohrung kann beginnen. Aus dem Bohrkopf spritzt die Bentonit-Mischung, als Lukas diesen vom MT25x100 Rockdrill aus in die weiche Lehmerde treibt. Gestänge um Gestänge verschwindet im Erdreich, während Daniel mit dem Messgerät Falcon F5 die exakte Position des mit einer Sonde ausgestatteten Bohrkopfes immer wieder ortet und mit Leuchtspray auf dem Boden oder mit einem Holzpflock markiert. Lukas verdeutlicht unterdessen mit einem Zollstock, wie er die Bohrung von der Fahrerkabine aus steuern kann: «Der Bohrkopf hat eine gewisse Schräge. Durch Drehen des Bohrkopfes ändert sich daher seine Richtung – nach links, rechts, oben oder unten. Selbst ohne Gelenk kann ich auf diese Weise unter der Erde Richtungsänderungen von bis zu 8 Grad vornehmen. Direkt unter dem Gleis muss ich schliesslich auf eine Bohrtiefe von etwa 3,5 bis 4 Metern kommen.»

Auf Höhe der ersten, schmalen Asphaltstrasse, die zu unterqueren ist, kommt plötzlich Unruhe in den Bautrupp. Lukas verlässt den Führerstand und bespricht sich mit seinem Kollegen. «Der Boden macht kein Problem, aber die Sonde sendet keine einwandfreien Signale mehr. Das Messgerät springt hin und her. Es hat hier offenbar zu viele Störfelder aufgrund der Oberleitung der Bahn», analysiert Lukas ruhig. Der 26-jährige Graubündner ist in Sachen Spülbohrung ein echter Profi. Seit gut fünf Jahren kommt er bei MARTY überwiegend bei Spülbohrungen zum Einsatz, allein im Zuge des Furttalprojekts hat er bereits zehn davon erfolgreich durchgeführt.

Nach kurzer Beratung fällt die Entscheidung, den Bohrkopf wieder aus der Erde zu ziehen und es mit einer neuerlichen Frequenzoptimierung und längerer Sonde im Bohrkopf zu versuchen. Die einzelnen, rund 4,5 Meter langen Gestänge drehen sich nacheinander aus dem lehmigen Boden, ehe zum Schluss der fettig-feuchte, milchige Flüssigkeit speiende Bohrkopf zum Vorschein kommt. Mittlerweile hat es stärker zu regnen begonnen und der Wind aufgefrischt. Vor dem zweiten Bohrversuch ist eine kurze Kaffeepause im engen Mannschaftstrailer eine willkommene Gelegenheit, sich ein wenig aufzuwärmen. Zwei schmale Bänke und ein kleiner Tisch, auf dem ungeordnet Kaffeetassen, Zucker und Haltbarmilch stehen, sind ein kleiner Luxus vor Ort. Lukas kommt beim ersten, wärmenden Schluck ins Erzählen: «Normalerweise ist bei Spülbohrungen der Boden der Hauptfaktor. Auch wenn man vorab Proben nimmt: Richtig Bescheid weiss man eigentlich erst, wenn man mit dem Bohrer im Boden ist. Und Überraschungen gibt es immer.» Was waren denn in den letzten fünf Jahren die grössten Überraschungen? Der schlanke Graubündner lächelt. «Bei wirklich schlechter Geologie habe ich schon mehrere Gestängebrüche hintereinander erlebt. Und einmal war der Verlauf einer bestehenden Stromleitung in den Plänen falsch – nämlich mehrere Meter zu hoch – eingezeichnet. Das gab dann einen Grosseinsatz, um die kaputte Leitung möglichst rasch zu reparieren…»

Der Kaffee ist ausgetrunken, die Baustelle wartet. Bevor Lukas wieder in seiner Fahrerkabine Platz nimmt, deutet er noch auf die dunklen Wolken am Himmel: «Regen oder Schnee machen bei Spülbohrungen kaum Probleme. Nur bei Kälte, wenn etwa der Wasserzufluss einfriert, braucht man für alles einfach wesentlich länger.» Schon die ersten gebohrten Meter zeigen, dass die getroffene Entscheidung richtig war: Die Störfelder sind zwar noch da, aber die Ortung des Bohrkopfes ist dank neuer Sonde deutlich besser und genauer. Rasch ist die Pilotbohrung unter die Trasse getrieben, während im 5- bis 10-Minutentakt abwechselnd Güter- und Personenzüge ungehindert darüber hinwegdonnern.

Ständig von Daniel mit dem Messgerät von oben kontrolliert, taucht schliesslich der Bohrkopf in der bereits vorab ausgehobenen Zielgrube auf der anderen Seite der Gleise auf. Gemeinsam montieren die beiden Bauarbeiter den Bohrkopf ab und tauschen diesen gegen einen konischen Räumer mit 40 cm Durchmesser. Ruhig und gleichmässig zieht die Maschine diesen durch die Pilotbohrung zurück, um den Bohrkanal für den späteren Einzug der Rohre aufzuweiten. «Bei der Pilotbohrung waren rund 40 Liter Bohrflüssigkeit pro Minute nötig. Jetzt bei der Aufweitung ist es mit 80 Litern das Doppelte», liest Lukas vom Display seiner Maschine ab.

Am Ortsrand von Otelfingen ist es spät geworden, das heutige Arbeitspensum ist erledigt. Morgen erwartet die beiden Männer nur noch Routinearbeit: der Einzug des bereits auf einem Feld liegenden und auf die richtige Länge vorgeschweissten Schutzrohres, in welches das eigentliche Leitungsrohr dann nur noch mit dem Bagger reingestossen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden Lukas und Daniel aber bereits zur nächsten Spülbohrung aufgebrochen sein. «Wieder eine SBB-Trasse, nur ein Dorf weiter», weiss Lukas. «Hoffen wir, dass es dort unterm Strich so gut und schnell läuft wie hier. Die längere Sonde lasse ich aber zur Sicherheit schon einmal im Bohrkopf drinnen…»

Zum Projekt

Bewässerung Furttal ZH

Auftraggeber: Bewässerungsgenossenschaft Furttal BGF (rund 25 Gemüsebauer)
Totalunternehmer (TU): MARTY Gruppe
Ort: Kanton Zürich (sowie kleines Gebiet im angrenzenden Kanton Aargau)
Ziel: langfristige Sicherung der Bewässerung in einem landwirtschaftlich wichtigen Anbaugebiet

  • 12,7 Kilometer Leitungsbau durch 8 Gemeinden – quer durch Wald- und Wohngebiete
  • Errichtung eines Hochspeichers (500 m3 Fassungsvermögen) am Hüttikerberg sowie einer Wasserfassung und eines Pumpwerks (Leistung 109 l/s) an der Limmat
  • Montage von rund 50 neuen Hydranten
  • neben klassischen Pflüg- und Fräsarbeiten auch 24 horizontale, bis zu 300 Meter lange Spülbohrungen vorgesehen
  • geplante Fertigstellung: Frühjahr 2022

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